Alleinsein
Obwohl wir in unserem täglichen Leben immer mit Anderen zusammen sind, sind wir gleichzeitig auch allein.
Alleinsein bedeutet nicht, hoch oben in den Bergen allein zu sein oder in einer Hütte tief im Wald; es heißt nicht, uns vor der Gesellschaft zu verstecken. Wirkliches Alleinsein entsteht aus einem stabilen Geist, der weder von der Menschenmenge davongetragen wird, noch von unserem Bedauern über die Vergangenheit, unseren Sorgen über die Zukunft oder unserer Aufregung über die Gegenwart. Wir verlieren uns selbst nicht; wir verlieren unsere Achtsamkeit nicht. Zuflucht zu unserem achtsamen Atmen zu nehmen und in den gegenwärtigen Moment zurückzukehren, heißt, Zuflucht zu der wunderschönen, heiteren Insel in uns selbst zu nehmen.
Wir nehmen zusammen mit der Sangha an der Sitz- und Gehmeditation teil, an den gemeinsamen Mahlzeiten und der Arbeitsmeditation, aber wir sind immer auch auf unserer eigenen Insel. Wir genießen es, mit unseren Schwestern und Brüdern zusammen zu sein, aber wir sind nicht gefangen und verloren in unseren Gefühlen und Wahrnehmungen. Stattdessen bemerken wir, dass die Sangha uns unterstützt. Wenn wir sehen, wie sich eine Schwester in Achtsamkeit bewegt, mit Liebe spricht und ihre Arbeit genießt, dann erinnert sie uns daran, zu unserer eigenen Quelle der Achtsamkeit zurückzukehren. Zur Achtsamkeit zurückzukehren, bedeutet, zu unserem Alleinsein zurückzukehren.
Wenn wir unsere Zeit mit den Menschen um uns herum, mit Freundinnen und Freunden genießen und uns im Kontakt mit ihnen nicht verlieren, dann können wir sogar inmitten von Gesellschaft lächeln und in Frieden atmen. Dann leben wir auf der Insel unseres Selbst.
Der achtsame Austausch
Der achtsame Austausch gibt uns die Gelegenheit, an den Erfahrungen aus der Praxis der anderen Sanghamitglieder teilzuhaben. Es ist eine besondere Zeit, in der wir unsere Erfahrungen, unsere Freuden, unsere Schwierigkeiten und unsere Fragen bezüglich der Achtsamkeitspraxis miteinander teilen. Indem wir tiefes Zuhören praktizieren, während andere reden, helfen wir eine ruhige und offene Atmosphäre entstehen zu lassen. Indem wir lernen, über unser Glück und unsere Schwierigkeiten in der Praxis zu sprechen, tragen wir zu der Einsicht und dem Verstehen der Sangha bei.
Bitte lasst uns den Austausch auf unseren eigenen Erfahrungen mit der Praxis gründen, statt auf abstrakten Ideen und Theorien. Auf diese Weise können wir feststellen, dass andere ähnliche Schwierigkeiten und Wünsche haben wie wir selbst. Indem wir still sitzen, zuhören und uns austauschen, bemerken wir unser wahres Verbundensein miteinander.
Bitte denke daran, dass alles, was während der Zeit des Achtsamen Austausches mitgeteilt wird, vertraulich ist. Wenn eine Dharma-Freundin oder ein Dharma-Freund über Schwierigkeiten spricht, mit denen sie oder er konfrontiert ist, dann respektiere bitte, dass sie oder er möglicherweise nicht den Wunsch hat, nach dem Austausch darauf angesprochen zu werden.
Die Küche
Die Küche ist ebenfalls ein Ort meditativer Praxis. Lasst uns achtsam sein, wenn wir kochen oder putzen. Lasst uns unsere Aufgabe auf eine entspannte und heitere Weise erledigen. Wir folgen unserem Atem und bleiben auf die Arbeit konzentriert. Es werden wahrscheinlich nur wenige Worte für die anstehende Arbeit gebraucht. Wir können sie beginnen, indem wir ein Räucherstäbchen auf dem Küchenaltar anzünden, um unsere Dankbarkeit auszudrücken und uns daran zu erinnern, achtsam zu arbeiten.
Lasst uns die Küchengruppen dadurch unterstützen, dass wir sie nicht unnötigerweise stören. Wir tun das, was wir müssen, in Schweigen und verlassen danach die Küche wieder, so dass die Gruppe ihre Arbeit in Ruhe tun kann.
Während des Kochens nehmen wir uns genug Zeit, damit wir uns nicht gehetzt fühlen. Lasst uns das Essen im Bewusstsein zubereiten, dass unsere Freund*innen diese Nahrung für ihre Praxis brauchen. Dieses Bewusstsein leitet uns an, gesundes Essen zu kochen, das von unserer Liebe und Achtsamkeit durchdrungen ist. Wenn wir die Küche putzen oder unser Geschirr spülen, tun wir das so, als würden wir den Altar waschen. Indem wir auf diese Weise spülen, spüren wir, wie sich Freude und Frieden in uns und um uns herum ausbreiten.
Gehmeditation
Wo auch immer wir unterwegs sind, können wir Gehmeditation üben. Das bedeutet, wir sind uns bewusst, dass wir gehen. Wir gehen einfach, um zu gehen. Wir gehen nicht länger in Eile, sondern in Frieden und Festigkeit. Mit jedem Schritt sind wir gegenwärtig. Wenn wir reden möchten, halten wir in der Bewegung inne und schenken dem anderen Menschen unsere Aufmerksamkeit. Wir sprechen achtsam und hören unserem Gegenüber aufmerksam zu.
Gemeinsam essen
Eine Mahlzeit gemeinsam zu sich zu nehmen, ist eine meditative Praxis. Wir sollten versuchen, für jede Mahlzeit ganz präsent zu sein. Wenn wir uns mit Essen bedienen, können wir bereits mit der Übung beginnen. Wir erkennen, dass viele Elemente, wie Regen, Sonnenschein, Erde, Luft und Liebe zusammengekommen sind, um dieses wunderbare Essen zu bilden. Tatsächlich erkennen wir, dass das gesamte Universum unsere Existenz durch diese Mahlzeit unterstützt.
Wir sind uns der gesamten Sangha bewusst, während wir uns bedienen. Wir sollten uns die Menge an Essen nehmen, die uns gut tut. Bevor wir essen, wird die Glocke dreimal eingeladen und während wir die fünf Betrachtungen hören, können wir unser Ein- und Ausatmen genießen.
1. Dieses Essen ist ein Geschenk des ganzen Universums, der Erde, des Himmels und von viel achtsamer und liebevoller Arbeit.
2. Wir sind bereit, in Achtsamkeit zu essen, damit wir dieses Geschenkes würdig sind.
3. Wir sind bereit, unsere unheilsamen Geisteszustände umwandeln, besonders unsere Gier und maßvoll zu essen.
4. Wir sind bereit, nur solche Nahrung zu uns nehmen, die uns nährt und uns selbst, anderen Wesen wie den Tieren und unserem Planeten nicht schadet und den Prozess der globalen Erwärmung rückgängig macht.
5. Wir nehmen dieses Essen an, um den Weg des Verstehens und der Liebe zu verwirklichen und mit unseren Freund:innen und mit unserer Gemeinschaft in Harmonie zu leben.
Wir sollten uns für das Essen Zeit nehmen und jeden Bissen mindestens 30 mal kauen, bis sich die Nahrung verflüssigt hat. Dies unterstützt die Verdauung. Lasst uns jeden Bissen unseres Essens genießen wie auch die Gegenwart unserer Dharmaschwestern und Dharmabrüder um uns herum. Lasst uns ganz im gegenwärtigen Moment ankommen und in einer Weise essen, die Stabilität, Freude und Frieden möglich macht.
Indem wir schweigend und in Achtsamkeit essen, wird das Essen wirklich, und wir sind uns ganz und gar bewusst, dass es uns nährt. Um unsere Übung des achtsamen Essens und die friedvolle Atmosphäre zu vertiefen, bleiben wir während der Zeit des Schweigens sitzen. Nach 20 Minuten wird die Glocke zweimal eingeladen. Dann können wir ein achtsames Gespräch mit unserem Dharmafreund oder unserer Dharmafreundin beginnen oder uns vom Tisch erheben.
Wenn wir mit dem Essen fertig sind, nehmen wir uns ein paar Momente Zeit, um zu bemerken, dass wir es beendet haben; unsere Schüssel ist jetzt leer und unser Hunger gestillt. Dankbarkeit erfüllt uns, wenn wir erkennen, wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir dieses Essen zu uns nehmen konnten, das uns auf dem Weg der Achtsamkeit und des Verstehens unterstützt.
Glocken der Achtsamkeit
Bei deiner Ankunft hörst du vielleicht den Ton einer Glocke und die Menschen um dich herum halten plötzlich inne, hören auf zu reden und stoppen ihre Bewegungen. Es könnte das Klingeln des Telefons sein, das Schlagen einer Uhr oder das Läuten der Klosterglocke. Dies sind unsere Glocken der Achtsamkeit. Wenn wir den Klang einer Glocke hören, entspannen wir unseren Körper und werden uns unseres Atems bewusst. Wir tun das mit Leichtigkeit und Freude, ohne Feierlichkeit oder Anspannung.
Wenn wir das Läuten dieser Achtsamkeitsglocken hören, unterbrechen wir unsere Gespräche. Was auch immer wir gerade tun, wir lenken unsere Achtsamkeit auf unser Atmen. Das Läuten der Glocke hat uns gerufen:
Hör, hör, dieser wundervolle Klang der Glocke
bringt mich zurück zu meinem wahren Zuhause.
Indem wir innehalten, um zu atmen und unsere Ruhe und unseren Frieden wiederherzustellen, werden wir frei. Unsere Arbeit wird freudvoller und die Dharma-Freundin oder der Dharma-Freund vor uns wird realer. Wenn wir wieder Zuhause sind, können wir das Läuten des Telefons, die Kirchenglocken, das Weinen eines Babys oder sogar die Sirene der Feuerwehr und des Krankenwagens als unsere Achtsamkeitsglocken nutzen. Mit nur drei achtsamen Atemzügen können wir unsere Spannung im Körper und im Geist lösen und zu einem gelassenen und klaren Geisteszustand zurückkehren.
Sich Verbeugen
Thay hat zu seinen Studentinnen und Studenten oft gesagt: "Sich zu verbeugen oder sich nicht zu verbeugen, darum geht es nicht. ("To bow or not to bow is not the question.") Wichtig ist es, achtsam zu sein.
" Wenn wir jemanden mit einer Verbeugung begrüßen, haben wir die Möglichkeit, für diesen Menschen und für die Natur des Erwachens, der Buddhanatur, in uns und in der anderen Person präsent zu sein Wir verbeugen uns nicht einfach aus Höflichkeit oder Diplomatie, sondern um das Wunder anzuerkennen, am Leben zu sein."
Unsere Wut umarmen
Thay vergleicht unsere Wut oft mit einem kleinen Kind, das nach seiner Mutter schreit. Wenn das Kind schreit, nimmt es die Mutter sanft in ihre Arme. Sie hört aufmerksam hin und beobachtet genau, um herauszufinden, was nicht stimmt. Allein die liebevolle Handlung, ihr Kind mit Zärtlichkeit zu halten, lindert schon das Leiden des Babys. Genauso können auch wir unsere Wut in unsere liebenden Arme nehmen und sofort werden wir eine Erleichterung spüren. Wir brauchen unseren Ärger nicht zurückzuweisen. Er ist ein Teil von uns, der genauso wie ein Baby unsere Liebe und unser tiefes Zuhören braucht.
Nachdem sich das Baby beruhigt hat, kann die Mutter herausfinden, ob es Fieber hat oder ob die Windeln gewechselt werden müssen. Sobald wir uns ruhig und gelassen fühlen, können wir tief in unsere Wut hinein schauen und die Bedingungen klar erkennen, die es der Wut erlaubt haben, in uns aufzusteigen.
Wenn wir wütend sind, ist es am besten, uns davon zurückzuhalten, etwas zu sagen oder zu tun. Es ist besser, unsere Aufmerksamkeit von der Person oder Situation, welche die Samen unserer Wut gießt, zurückzuziehen. Wir sollten uns die Zeit nehmen, um zu uns selbst zurückzukehren. Wir können bewusstes Atmen und Gehmeditation im Freien praktizieren, um unseren Körper und unseren Geist zu erfrischen. Nachdem wir uns ruhiger und entspannter fühlen, können wir damit beginnen, tief in uns selbst, in die Person und in die Situation hinein zu schauen, um die Bedingungen zu erkennen, die es der Wut erlaubt haben, in uns aufzusteigen.
Wenn wir Schwierigkeiten mit jemandem haben, dann ist es oft so, dass dieser Mensch eine Eigenschaft besitzt, die eine Schwäche von uns selbst widerspiegelt, die wir nur schwer akzeptieren können. Wenn unsere Fähigkeit zu lieben und uns selbst anzunehmen, wächst, dann wird sich diese Liebe und Akzeptanz ganz von allein zu den Menschen um uns herum ausbreiten.
Der Zufluchtsgesang
Am Fuße des Bodhibaums
sitzt er in Anmut, friedvoll und lächelnd,
lebendige Quelle von Verstehen und Mitgefühl –
zum Buddha nehme ich Zuflucht.
Der Pfad achtsamen Lebens,
der zu Heilung, Freude, Erleuchtung führt,
der Weg des Friedens –
zum Dharma nehme ich Zuflucht.
Die liebevoll sich unterstützende Gemeinschaft,
die Harmonie, Achtsamkeit und Befreiung verwirklicht –
zur Sangha nehme ich Zuflucht.
Ich bin mir bewusst, dass diese Drei Juwelen
in meinem Herzen wohnen.
Ich gelobe sie zu verwirklichen.
Ich gelobe Achtsames Atmen und Lächeln zu üben
und tief in die Natur der Dinge zu schauen.
Ich gelobe die Lebewesen und ihr Leiden zu verstehen,
Mitgefühl und liebende Güte zu entwickeln
und Freude und Gleichmut zu üben.
Ich gelobe, morgens einem Menschen Freude zu bereiten
und nachmittags den Kummer eines anderen lindern zu helfen.
Ich gelobe einfach und vernünftig zu leben,
zufrieden mit nur wenig Besitz,
und meinen Körper gesund zu erhalten.
Ich gelobe, alle Sorgen und Ängste loszulassen,
um unbeschwert und frei zu sein.
Ich bin mir bewusst, dass ich meinen Eltern viel verdanke,
meinen Lehrern, Freunden und allen Wesen.
Ich gelobe, ihr Vertrauen zu erfüllen
und von ganzem Herzen zu üben
so dass Verständnis und Mitgefühl erblühen
und ich den Lebewesen helfen kann,
von ihrem Leiden frei zu werden.
Mögen der Buddha, das Dharma und die Sangha
meine Bemühungen unterstützen.